Übersetzungsprozess optimieren: KI, Agenturen und Länder im Zusammenspiel
Voraussetzungen und Empfehlungen für einen optimalen Übersetzungsprozess
Für international agierende Unternehmen, die erklärungsbedürftige Produkte anbieten, ist die Übersetzungsqualität und der Übersetzungsprozess entscheidend für deren Vermarktung in den Ländern. In diesem Blog möchte ich aus meinen Projekterfahrungen heraus verschiedene Aspekte beschreiben, die dabei zu berücksichtigen sind, und Empfehlungen geben um den Prozess so effizient wie möglich zu gestalten und gleichermaßen die Qualität der Übersetzungen optimal zu gewährleisten.
Organisation und Tools für den Übersetzungsprozess
Eine hohe Qualität von Übersetzungen erreicht man vor allem, wenn Fachbegriffe richtig und einheitlich verwendet werden und die Übersetzungen von Muttersprachlern geprüft wurden. Einen effizienten Prozess erzielt man durch festgelegte Personalverantwortung, Einsatz von Tools und Standardisierung von Abläufen:
- Die bewusste Festlegung von Personalverantwortung scheint selbstredend zu sein, ist jedoch in der Praxis nicht immer so klar benennbar. Es bedeutet, dass man einerseits Mitarbeiter festgelegt, die den Übersetzungsprozess laufend beobachten und die Übersetzungsaufträge steuern und andererseits Mitarbeiter aus Agenturen oder den Ländern bestimmt, die die Übersetzungen erstellen und prüfen.
- Tools im Umfeld des Übersetzungsprozesses sind TMS (Translation Memory System, beispielsweise Trados oder Across), die von Übersetzungsagenturen prinzipiell immer (auch wenn das teilweise den Auftraggebern nicht bekannt ist) eingesetzt werden, KI (beispielsweise DeepL, Google oder Microsoft Translator) und Tools, die bei der Content-Erstellung unterstützen (beispielsweise Congree). Ja, und natürlich das System, in welchem die Texte ursprünglich entstehen, beispielsweise PIM-, Redaktions- oder CMS-Systeme.
- Die Standardisierung von Abläufen beginnt mit der Erstellung (und Änderung) von Texten in der Ursprungssprache. Die Erstellung selbst ist entscheidend für die nachfolgende Übersetzungsqualität. Denn wenn zum Beispiel Fachbegriffe nicht richtig und einheitlich in der Ursprungssprache verwendet werden, dann hilft auch die beste Übersetzung nichts. Weitere Aspekte sind die Textverwaltung und der Textworkflow, welche nachfolgend beschrieben werden.
Empfehlungen für die Content-Erstellung – die Terminologie
Von den vielen Punkten, die mir da sofort in den Kopf schießen, beginne ich mit dem „anstrengendsten“ Punkt: die Terminologie. Hier geht es, wie oben schon erwähnt, um die richtige und einheitliche Verwendung von Fachbegriffen in den Ursprungstexten. Diese sollten in einem Glossar festgeschrieben werden und zwar nicht nur die zu verwendenden Begriffe, sondern auch verbotene Begriffe („Negativ-Terme“).
Typischerweise geht es bei den Glossaren um Hunderte bis Tausende Fachbegriffe. Warum ist dies anstrengend? Weil Mitarbeiter ganz unterschiedliche Sprechweisen haben, und es bei solchen Normungen immer zu Reibungen kommt, welcher Begriff sich durchsetzt und welche Begriffe nicht mehr verwendet werden sollen. Eine kleine Anekdote dazu: Ich habe einmal erlebt, dass sich ein Mitarbeiter auf der Katalogseite durchgesetzt hat („Abzweigdose“) und ein anderer im Inhaltsverzeichnis („Verteilerdose“).
Wie kommt man zu den Fachbegriffen? Da gibt es verschiedene Wege, die man gleichermaßen beschreiten sollte. Zum einen frage ich gerne nach, ob es schon Excel-Listen gibt, in denen Fachbegriffe gelistet sind. Da wird man häufig fündig. Aufwändiger ist die „Termextraktion“: Dazu werden aus den Übersetzungsaufträgen zuerst mit einer Software Terme extrahiert und in Excel gelistet. Diese Listen werden auf „falsche Terme“ geprüft und konsolidiert. Je mehr Terme bereits vorhanden sind, umso weniger wird extrahiert, im besten Fall passt alles. Die konsolidierten Fachbegriffe werden dann in allen Sprachen übersetzt und für die Übersetzungstools eingesetzt (TMS oder KI). Beispielsweise kann man beim TMS die Übersetzungen von Termen in einer kleinen Übersetzungsdatenbank speichern oder bei KI-Tools direkt mit hochladen zum Übersetzungsauftrag. Bei der Übersetzung werden dann sofort immer zum jeweiligen Fachbegriff die Übersetzung vorgeschlagen, so dass es einerseits Übersetzungszeiten reduziert und anderseits auch die Korrekturkosten minimiert.
Optimalerweise wird bereits bei der Content-Erstellung auf die richtige Verwendung der Terme geprüft, beispielsweise mit Congree. Das Tool lässt sich direkt in den Texteditor einbinden. Wir haben den Authoring Service von Congree beispielweise in unserem PIM-System mittels API-Schnittstelle eingebunden.
Empfehlungen für die Textverwaltung
Jetzt haben wir sehr viel über Terminologie geredet. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der weit weniger anstrengend ist und sich sehr positiv auf den Übersetzungsprozess auswirkt. Dabei geht es um die Zerlegung von Aufzählungstexten in einzelne, granulare Textbausteine. Die Textbausteine lassen sich oft in anderen Aufzählungstexten wiederverwenden, insbesondere wenn man variantenreiche Produkte hat. Das hat zwei Effekte auf die Kostenreduktion: zum einen lassen sich durch die Wiederverwendung Übersetzungen sparen, zum andern wirken sich Änderungen nur minimal aus, da nur der einzelne Textbaustein „angefasst“ werden muss und nicht der längere Aufzählungstext. Darüber hinaus hat es einen positiven Effekt auf die Übersetzungsqualität, denn die Übersetzungen sind konsequent immer einheitlich. Natürlich muss das PIM- oder CMS-System die beschriebene Funktionalität dazu bieten, das sollten Sie bei der Auswahl berücksichtigen.
Ein weiterer Punkt, der oft vernachlässigt wird, betrifft Grafiken, die Texte enthalten: meist in Form von einzelnen Fachbegriffen, beispielsweise Beschriftungen in Diagrammen, Zeichnungen oder Funktionsgrafiken. Diese Beschriftungen finden sich häufig in anderen Grafiken wieder. Deren Übersetzungen müssen immer wieder aufwändig in der Grafik von Hand gesetzt und je Sprache als Datei gespeichert werden.
Hier empfiehlt sich folgende Vorgehensweise, beispielsweise mit Verwendung von Adobe Illustrator:
1.) Extraktion der Texte aus der Grafik und Ersetzen durch Platzhalter
2.) Texte als Textbausteine speichern, Übersetzen und wiederverwenden bei anderen Grafiken
3.) Automatisches Einfügen der Textbausteine beziehungsweise Übersetzungen in die Grafik anstelle der Platzhalter
4.) Automatisches Speichern der Grafiken je Sprache als Datei.
Empfehlungen für die Standardisierung von Abläufen und den Einsatz von Tools
Am augenscheinlich einfachsten ist die Empfehlung, ein oder zwei zentrale Ansprechpartner für die Steuerung des Übersetzungsprozesses zu benennen. Alle Übersetzungsaufträge sollten zentral gesteuert werden.
Das fördert meine goldene Regel „Gleiches gleich machen“.
Bei der Standardisierung von Abläufen gibt es in Bezug auf die Übersetzung zwei mögliche Wege:
1.) Vorübersetzung mit KI (unter Verwendung des Glossars wie oben beschrieben) und Prüfung durch Muttersprachler, beispielsweise in den Ländern
2.) Übersetzung durch Agentur mit TMS (unter Verwendung des Glossars), mit oder ohne nachfolgender Prüfung.
Natürlich ist auch eine Mischung beider Varianten möglich, beispielsweise spezifisch nach Sprache, denn nicht alle Sprachen sind mit KI optimal übersetzbar.
Zu Variante 1 noch ein Hinweis: Um KI-Act-konform zu sein, ist es Pflicht, KI-übersetzte Texte zu kennzeichnen und zu speichern, wann und mit welchem Tool der KI-generierte Text entstanden ist.
Einsatz von TMS und KI
Es werden in beiden Varianten jedenfalls Tools zum Einsatz kommen. Dabei ist technisch auf eine nahtlose, direkte Anbindung zu achten. State-of-the-Art sind API-Schnittstellen und speziell für TMS die COTI Level 2 Schnittstelle (https://de.wikipedia.org/wiki/COTI).
Funktionell muss der Workflow folgenden Anforderungen genügen:
- Nur der wirklich notwendige Übersetzungsbedarf soll ermittelt werden können, also dort wo Übersetzungen fehlen oder wo sich Texte geändert haben.
- Texte, die momentan in Übersetzung sind, müssen gekennzeichnet sein um etwaigen textuellen Änderungen in der Zeit der Übersetzung Rechnung zu tragen.
- Änderungen am Ursprungstext („Mastertext“) müssen eine Übersetzung von vorhandenen Sprachen auslösen („Wiedervorlage“).
- Versionierung von Texten – und synchron der passenden Übersetzung muss möglich sein
- Formatierungen der Texte, beispielsweise Überschriften, Absätze, Listen, Fett/Kursiv, müssen bei der Übersetzung implizit erhalten bleiben; optimalerweise werden sie sogar formatiert dargestellt. Nichts ist unnötiger als nach der Übersetzung die Formatierung für jeden Text neu durchzuführen!
Prüfung und Freigabe der Übersetzungen
Die Prüfung der Übersetzungen ist im Falle der Vorübersetzung mit KI eigentlich Pflicht; Korrekturen sind sehr wahrscheinlich notwendig und sinnvoll.
Auch im Falle, dass mit Agenturen gearbeitet wird, welche typischerweise immer auch ein Lektorat einsetzen, kann die Prüfung noch zu Korrekturen führen.
Prüfungen finden sinnvollerweise durch Muttersprachler statt, entweder in der Zentrale oder in den Ländern. Die Prüfung sollte daher online möglich sein. Das Ergebnis ist eine Korrektur und Freigabe.
Fazit
Mit den beschriebenen Empfehlungen sollen folgende Ziele ermöglicht werden:
- Schnellstmöglich neue Sprachen verfügbar zu machen (Wochen statt Monate!)
- Übersetzungs- und Korrekturkosten um bis zu 80% zu reduzieren
- Die Qualität des Contents zu steigern durch einheitliche Verwendung von Fachbegriffen und Übersetzungen sowie durch einen standardisierten Freigabeprozess
Hier zusammenfassend die Aspekte, die man beim Aufsetzen eines optimalen Übersetzungsprozesses betrachten sollte:
- Terminologie
- Ablauf zur Erstellung von Texten in der Ausgangssprache
- Verwaltung von Texten (unter anderem Aufzählungstexte, Texte in Grafiken)
- Textworkflow mit Änderungs- und Freigabeprozess
- Automatisches Ermitteln des Übersetzungsbedarfs
- Einsatz von Tools, unter anderem TMS (mit COTI2-Schnittstelle) und KI (mit API-Schnittstelle)
- Steuerung der Übersetzungsaufträge durch zentrale Ansprechpartner und Prüfung durch Muttersprachler mit Weboberfläche
Thomas Kern ist Geschäftsführer und Unternehmensgründer von crossbase. Er war Ideengeber der Software und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich PIM, MAM, Print, E-Commerce und allem, was dazu gehört. Als Maschinenbauingenieur mit Schwerpunkt Angewandte Informatik kann er unsere Kunden aus der Industrie daher vollumfassend beraten.
Darüber hinaus berät er die Neukunden bei der Einführung von crossbase und verantwortet das Projektmanagement. Seine inhaltlichen Schwerpunkte bei den Projekten sind Analyse, Datenmodell und ERP-Schnittstelle.
In unserem Blog teilt er dieses Wissen auch mit Ihnen und beantwortet gerne Ihre Fragen:
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Herby Tessadri
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